Am 1. Juli 1898 brach Missionar Bunk mit drei neu
angekommenen Missionaren - Gröschel, Priebusch und Neuberg - auf
und zog mit den Trägern der Wabena über das Gebirge. Am 15. Juli 1898
wurde die Station Kidugala gegründet.
Auszüge aus dem Tagebuch des Missionar Gröschel:
(Stationsakte Kidugala im Archiv der Berliner Mission)
(S. 2) " Der 1. Juli war nun der Tag des Aufbruchs von Ikombe.
Noch einmal versammelten wir uns am frühen Morgen mit den Christen und
Katechumenen der Station im Gotteshaus, wo Br. Bunk ein längeres Gebet
hielt ... Schon am 28. Juni waren an 150 Mann von jenseits der Berge aus
dem Stamme der Bena gekommen, um uns zu holen und unsere Sachen zu tragen
...
(S. 5) Der Weg hinaus in die Kingaberge ist meiner Ansicht nach noch viel
beschwerlicher, als von da herab. Jedenfalls muß man gut ausgeruht sein,
wenn man an einem Tage von Ikombe nach Bulongwa kommen will.
(S. 8) Etwas beunruhigt wurden wir hier in Bulongwa noch am Sonntag, den
3. Juli. Die Geschwister Wolff in Tandala waren schon seit längerer Zeit
den Anfeindungen eines kleinen räuberischen Stammes, des Sernas,
ausgesetzt. An diesem Sonntag nun schickte Br. Wolff einen Eilboten an Br.
Hübner und bat um einige zuverlässige Leute, denn es sei zu befürchten,
daß das Wohnhaus des nachts über dem Kopf angezündet würde... Es blieb
aber ruhig.
(S. 11) Am Montag, den 11. Juli verabschiedeten wir uns von Tandala.
12. Juli 98: Und wieder ging es in der Hauptrichtung nach Osten. Auch
kamen uns schon Benahäuptlinge entgegen, uns zu begrüßen... Bis zu
unserem diesmaligen Lagerplatz waren auch die beiden ziemlich
einflußreichen Benahäuptling Ngela und Kisuaga entgegengekommen. Sie
brauchten auch bald ihre Klagen und Anklagen gegen die Sangu, welche
fortwährend unter ihrem Volk räuberische Einfälle machen, vor.
13. Juli: Unsere Benaträger freuten sich. Es ging ihrer Heimat zu. Kurz
nach 2 Uhr kamen wir bei Häuptling Ngela an und schlugen unter ein paar
hohen Bambussträuchern unsere Zelte auf ...
14. Juli: heute ritten die Brüder Bunk und Neuberg aus. Als sie
zurückgekehrt waren, gelangten wir nach längerer Beratung zu dem
Entschluß, in diesem Gebiet eine Station anzulegen ...
15. Juli: Endlich am 15. Juli fanden wir etwas weiter hin nach Süd-Osten
gelegen einen sehr schönen Platz auf einen kleinen, mit niedrigen Bäumen
bestandenen Anhöhe, von wo aus man einen sehr schönen Rundblick über
dei ganze nähere Umgebung hat. Hier auf diesem Platz, dem Kidugala, wie
ihn die Leute nennen, schlugen wir am 16. Juli unsere Zelte auf."
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Aus dem Tagebuch des Missionar Oelke / Station Kidugala am
25. Oktober 1908:
"Der 8. April war ein großer Freudentag! für uns Bewohner von
Kidugala in ganz besonderer Weise, weil endlich unsere Kirche im großen
und ganzen vollendet dastand und die Einweihung stattfinden konnte. Es war
auch ein Freudentag für unsere ganze Hehesynode, weil der erste massive
Kirchbau in unserem Kreise beendet war, ein äußeres Zeichen für das
Wachstum des Christentums, das in unserem lande feste Gestalten zu
beginnen gewinnt..."
Aus der Statistik der Station Kidugala im Jahre 1909
Christen |
Erwachsene 89 |
Kinder 24 |
Katechumenen |
84 |
mit Nebenstation |
Schulkinder |
266 |
mit Nebenstationen |
Landbesitz der Station im Juli 1907
200 ha |
gekauft |
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488 ha |
gepachtet |
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davon unter Kultur |
505,5 ha |
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in Benutzung der Eingeborenen |
99 ha |
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als Weideland |
200 ha |
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Wege, Plätze |
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Dann folgten schnell die weiteren Stationsgründungen:
26.7.98 |
Mufindi |
1904 verlegt nach Emmaberg |
2.10.98 |
Muhanga |
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11.9.99 |
Lupembe |
|
1.11.99 |
Mpangile |
später umbenannt in Jacobi |
4.9.00 |
Ilembula |
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Da die Berliner Mission (Berlin I) von der Bethel-Mission, die einst
aus der EMDOA (Evangelische Missionsgesellschaft für Deutsch-Ostafrika)
hervorgegangen war, auch noch die Stationen Daressalam (gegründet 2. Juli
1887) Kissarawe (gegründet 15. Februar 1892) und Maneromango (gegründet
16. Juni 1895) im Küstenbereich übernommen hatte, war die Arbeit in
wenigen Jahren um mehr als das Doppelte gewachsen. Eine Landverbindung
zwischen dem Nyassasee und der Küste war beinahe hergestellt.
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Missionar Jauer schreibt am 1. Juli vorigen Jahres (1896) folgendes:
" Am Abend kommt unser Häuptling Muakalobo und teilt mir mit,
daß von Langenburg einer der jetzt üblichen Zettel mit einem Befehl
gekommen wäre. Da es sich um das Leben von Menschen handeln sollte, ging
ich hin und fand einen Mann von Muaipopo mit einem Zettel. Darauf stand in
deutscher Schrift:: N.N. klagt gegen N.N. wegen Ermordung seines Vaters;
Muakalobo hat die Mörder auszuliefern. "
Ich forsche, die Sache ist 12 Jahre alt und in üblicher Schlägerei
geschehen. Dabei sind die beiden angegebenen Namen die Namen ein und
desselben Mannes. Es gelang mir, die Leute zu bewegen, in Begleitung eines
zungengewandten Mannes hinunterzugehen. ich selbst schreibe dem Herrn
Bezirksamtmann die ganze Sache, denn es kann einem Richter doch nur
angenehm sein, wenn er die Wahrheit erfährt. Dabei war ich auch getrieben
durch die Befürchtung die Leute würden auf der Militärstation gleich
als `Mörder´ eingefangen werden.
Am Sonntag dem 8. August wurde mir nach der Predigt die Nachricht
gebracht, daß Soldaten bei Muaipopo Vieh genommen und Menschen getötet
hätten. Während der Unruhe versammelten wir uns am Nachmittage mit den
jungen Christen zur ersten Feier des Heiligen Abendmahls.
Am 24. August. Ein bewegtes Bild. In langen Zügen fliehen die Leute
aus den Dörfern nach Kiedyo zu; die Männer treiben das Vieh, die Frauen
tragen die Matten, um im Walde zu biwakieren.
25. August. Zu meinem nicht geringen Erstaunen vernehme ich heute, daß
auch Muokalobo mit Hab und Gut im Walde Zuflucht gesucht hat. Es hat eine
fürchterliche Angst die Leute ergriffen, da die Nachricht verbreitet
wird, der Weiße schieße alles nieder ohne Unterschied. Alles geht mit
Speer und Schild, doch nicht zum Kämpfen, sondern zur Flucht.
26. August. Gleich nach der Morgenandacht mit den Leuten breche ich
auf, ausgerüstet mit Medizin und Verbandzeug, um nach den Leuten zu
sehen. Alle Dörfer sind wie ausgestorben, nur hie und da läßt sich ein
Huhn oder ein Hund sehen. Arg haben die übermütigen Soldaten bei
Muaipopo gehaust, die Töpfe und Kalabassen liegen zerschlagen umher,
alles wüst. Endlich sehe ich auf eines Berges Spitze einen Mann, wir
rufeh ihm zu, er erkennt mich und kommt herab. Derselbe ruft den
Fernerstehenden zu, daß sie nicht fortlaufen sollten, da ich es sei, der
gekommen. Wir gehen weiter, ich hatte absichtlich nur drei Begleiter
mitgenommen, um die Leute nicht zu erschrecken. Auf den Bergeshöhen
erblicken wir einzelne Leute, die sofort bei unserm Anblick fliehen.
Ich strebte nach der Stelle hin, von der mir gesagt ward, daß fünf Leute
erschossen seien. Dazu mußte ich sämtliche Dörfer des Muaipopo
durchreiten und bekam dadurch erst einen Begriff von der großen
Ausdehnung des Besitzes dieses Häuptlings.
Einen großen Berg umgehend, sehen meine Begleiter einige Leute. Ich
sandte einen Mann diesen entgegen, aber die eiligste Fllucht war der
Erfolg. Endlich dachte einer, das weiße Reittier muß doch dem Missionar
gehören, und er stand. Damit war das Eis gebrochen, und die übrigen
kamen heran. Drei Tote wurden herangetragen, alles Häuptlinge, Verwandte
von Muangomu und seinem Namensvetter Muaisumo. Beim Anblick dieser
Gefallenen konnte ich mich der Tränen nicht enthalten.
Ein Knabe hat einen Wangenschuß, ich verband ihn. Mittlerweile hörte ich
am Miodyo Schüsse. Ich gab daher meinen geplanten Weg nach Muangomu auf
und ging über Muakanganyila, Muandyala, Muakifuna zur Station. Hier
erfuhr ich, daß die Soldaten Frauen und Vieh des Muakifuna genommen
hatten.
Sonnabend, den 28. August. Ein Mann von Muaipopo stellt sich ein; eine
Kugel hat ihm den Oberarm zerrissen. Dem Muakalobo ist´s im Walde zu
kalt, er logiert sich bei mir ein."
Soweit ein Bericht von Missionar Jauer.
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Missionar Maaß berichtet in seinem Tagebuch
("Berliner Missionsberichte": Zeitschrift der Berliner
Missionsgesellschaft = BMB)
Von einem noch ernsteren Zusammenstoß der Kondeleute mit der in
Langenburg stationierten Schutztruppe berichten unsere auf Ikombe
stehenden Brüder ...
"2. Dezember. Schon längere Zeit schwirrten Kriegsgerüchte in
der Luft, denen wir bis dahin keinen rechten Glauben schenken wollten.
Heute in aller Frühe von jenseitigen Ufer zu uns herüberschallendes
Gewehrfeuer machte es uns zur Gewißheit, daß der Krieg nun wirklich
ausgebrochen sei. Gleichzeitig wurde es uns auch klar, daß wir hinüber
müssen, um etwaigen Verwundeten und Sterbenden beizustehen, da weder Arzt
noch Lazarettgehilfe zugegen waren. Unser `Paulus´ war am Tage zuvor vom
Bezirksamtmann zu einer Fahrt nach Karonge geliehen. ein Langenburger
Stahlboot war in unsern Hafen zurückgelassen, welches Bruder Bunk und ich
zur Fahrt über den See bestiegen. Verbandszeug, Lebensmittel und
Erfrischungen wurden mitgenommen.
Nach ca. zwei Stunden Fahrt hatten wir das jenseitige Ufer erreicht.
Die erste Überraschung wurde uns dadurch zuteil, daß wir unsern `Paulus`
neben dem `Hermann v. Wißmann` liegen sahen. Ohne unser Wissen und zu
unserer größten Bestürzung war der `Paulus` mit in die
Kriegsangelegenheiten gezogen, da er zu Transportzwecken verwendet werden
war. Wir stiegen ans Land, nahmen einige Träger für die notwendigsten Sachen
mit und begannen unsere Wanderung, anfänglich durch die am Ufer liegenden
Keßidörfer und dann weiter in das Gebiet der Aufständischen. In der
Ferne aufsteigender Rauch zeigte uns den Weg, welchen wir zu gehen hatten.
Doch wie einsam! Fast unheimlich war die Wanderung! Sonst begegneten dem
Wanderer fröhliche Menschen, lustig umherspringende Kinder, diesmal keine
Menschenseele. Sonst begrüßte ihn das anheimelnde Blöken der
Rinderherden, diesmal herrschte unheimliche Grabesstille. Kein Mensch,
kein Tier war zu sehen, nur in einer halbzerfallenen Hütte war eine Ziege
einsam zurückgelassen. Beim Betreten der Dörfer des Häuptlings
Muanyabala zeigten sich schon deutlichere Spuren des Krieges. Mehrere
Hütten waren teils ganz niedergebrannt; teils glimmten ihre Reste noch in
der Asche. Umherliegende Hausgeräte, Matten, Körbe, Lebensmittel u.v.m.
zeugten von einer schnellen Flucht. Bei weiterem Vordringen sahen wir am
Boden Blutspuren und diesen folgend, fand ich dei ersten Toten. Es war ein
schmerzlicher, herzzerbrechender Anblick! Die meisten jung, hübsch, in
der Blüte der Jahre dahingerafft! Scheußlich, meist tödliche Wunden
hatten dei Geschosse verursacht. Wie die Kugel sie ereilt hatte, so lagen
sie dahingestreckt, meist mit dem Gesicht auf die Erde gedrückt, wobei
die eine Hand noch krampfhaft den Schild und die andere den Speer
umschlang. Etwa 30 Tote waren hier zu finden, unter ihnen auch der
mächtige und edle Häuptling.
Muakalinga, dessen Dörfer zum Missionsgebiet der Brüdergemeinde
gehören. Wir entdeckten nur einen Verwundeten, die andern waren jedenfalls
davongelaufen. Gerade als wir beim Verbinden waren, kam der Bezirksamtmann
mit seinen Beamten und Soldaten von der Verfolgung zurück. Er machte bei
uns Rast und erzählte uns einige Einzelheiten des Kampfes. Danach haben
die Eingeborenen anfänglich kräftigen Widerstand geleistet, als die
Kugeln der Askari aber so furchtbar in ihre Mitte wüteten,
ergriffen sie die Flucht.
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Aus einem Bericht von Missionar Bunk vom 7. Dezember 1896:
"Heute kam der `H. v. Wißmann`, um Bauholz für Langenburg aus
einer Schlucht nördlich von hier zu holen und zugleich Soldaten nach dem
Kisako zu schicken. Herr von Elpons und Herr Burkardt stiegen hier ab.
Ersterer teilte uns mit, daß die Soldaten nach Kielo und hier auf Ikombe
gewesen seinen in der Absicht, im Fall die Weißen eine Niederlage
erleiden würden, auch einen Beuteanteil zu erlangen ...
27. Dezember: Seit dem Kriege bei Muakalukua kamen die Leute von
drüben öfters zu uns, um sich Rat zu holen. Sie leben noch in
beständiger Furcht vor dem Militär, auch sich noch nicht alle in ihre
Dörfer zurückgekehrt. Andere sind zum zweitenmal geflohen, weil wieder
ein Mann von Soldaten erschossen wurde in Muanyabalas Dorf, wo die
Soldaten Bambus holten; und zwar, so sagte man mir, wurde er erschossen,
weil er mit dem Speer in der Hand vor seiner Hütte standen."
In den persönlichen Berichten von Bunk an das Missionshaus in Berlin
stellen sich die Vorgänge im Kondeland noch sehr viel kritischer dar, als
es in den Berichten an die Missionsgemeinden weitergegeben wurde. Die
Vermutung liegt nahe, daß vor allem Merensky, der in dieser Zeit als
Missionsinspektor für DOA verantwortlich war, die faktische Feindschaft
des Kolonialvertreters in Neulangenburg gegen die Missionare und auch
gegen die Mission und auch deren Verantwortung für das Massaker an den friedfertigen
Konde herunterspielen wollte. Dazu einige Zitate aus der Personalakte Bunk
(Personalakte Bunk: Archiv des Berliner Missionshauses)
"13. Juni 1898 ... Mehr Sorge und Mühe verursacht mir die
geradezu feindliche Haltung, welche der Herr Bezirksamtmann zu mir
einnimmt ... Es ist namentlich die v. Elponsche Sache, welche mich dazu
treibt. Aus der Antwort des Herrn Gouverneur auf unser Schreiben vom
Februar ersehe ich, daß wir stark verleumdet worden sind bei dem
kaiserlichen Gouverneur. Namentlich sind in dem Schreiben des Gouverneurs
Bruder Jauer, Maaß und ich erwähnt. Jauer ist verleumdet, die
Häuptlinge gewarnt zu haben und das Vieh auf seine Station haben treiben
lassen, `wo es auch tatsächlich beschlagnahmt` wurde. Bruder Maaß und
ich werden beschuldigt, erstlich nichts von der Absicht der Waniakiusa
gemeldet zu haben, und zum anderen hieß es, ´ waren die Herren Bunk und
Maaß hinter der feindlichen Linie im Pflegedienst tätig`. Ich kann
nunmehr nichts anderes annehmen, als daß von Elpons absichtlich uns
verleumdet hat ...
Ich werde auch dem Herrn Gouverneur Andeutungen machen, daß ich bereit
sei, auf seinen Wunsch hin Proben von der Rechtspflege sowie über die
Zustände überhaupt hier weiter Mitteilung zu machen; aber ich glaube, es
fruchtet nicht viel. Wenn ein Prozeß angestrengt würde gegen solche
Kolonisation, wie von Elpons sie treibt, ich glaube, es würde ihm nicht
viel besser ergehen als dem Dr. Peters (Dr. Carl Peters, Pastorensohn, war
von 1891 - 1893 Reichskommissar in Deutsch-Ostafrika wurde wegen seiner
grausamen Kolonialisierungsmethoden abberufen und 1896 aus dem
Reichsdienst entlassen.). Folgendes teile ich Ihnen zunächst unter dem
Siegel der Verschwiegenheit mit.
Auf einer Reise von Uniika nach Langenburg zurück soll von Elpons in
der Gegend von Rungwe Muanikule einen Mann erschossen haben, weil - so
heißt es - derselbe ihn einen schwierigen Weg führte. Ich kann die
Sachen noch nicht verbürgen, habe aber Bruder Jauer gebeten, alles zu
tun, daß er die Augenzeugen bekommt und sie ausfragt ...
... Ein Unterbeamter sagte: `Von Elpons würde auch noch wegen anderer
Sachen bestraft werden, wenn herauskäme, daß er eine Frau öffentlich
mit der Nilpferdepeitsche habe schlagen lassen ...
Die Briefe an das Kaiserliche Gouvernement schreiben wir über Karonga (Karonga
in Britisch Nyassaland), weil wir nicht mehr sicher sind, ob sie sonst
irgendwo verschwinden."
Später gerieten auch noch die Missionare Wolff in Tandala und Hübner
in Bulongwa auf den neuen Stationen im Kingaland in den Bereich der von
Elponschen Verdächtigungen (Archiv der Berliner Mission, Abt. I, VII Fach
B. 31, 1897 - 1909, P. 73), sodaß am Ende des Jahrhunderts beinahe alle
Missionare im Widerspruch zu Herrn von Elpons und seinen Kolonialmethoden
standen.
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Aus dem Tagebuch des Missionar Schüler in Muakaleli / 1. Quartal 1900,
(Seite 10 und folgende)
"19. Februar. In welcher traurigen und unwürdigen Weise die
Eintreibung der Hüttensteuer gehandhabt wird, beweist folgendes trauriges
Ereignis:
In der siebenten Stunde hörten wir von jenseits des Lufidjo her einige
Schüsse. Man sagte mir, die Soldaten seien drüben in Muakinjanjas Dorf.
Nach der Morgenandacht sah ich, wie von der genannten Richtung her
Soldaten mit einem Weißen, demRegierungsbeamten von Kasyabone an der
Spitze, auf unsere Station zumarschierten. Als der Trupp, der wtwa 30
Kühe mit sich führte, sich unserer Stationsgrenze näherte, setzte ich
mich auf meinen Esel und ritt auf einem Umwege nach dem Dorfe, aus dem die
Soldaten kamen. Ein Zusammentreffen mit dem Regierungsbeamten wollte ich
vermeiden, da mir die Mwaitege´-schen, die im vergangenen September durch
Niederbrennen ihrer Hütten bestraft wurden, es mir sehr übel nahmen,
daß der Regierungsbeamte von hier aus diesen Strafzug unternahm.
Zunächst machte ich beim Häuptling Mwangosi halt. M. kam mir entgegen
mit etlichen seiner Leute und sagte: `Warum zürnst Du und tötest uns?`
Auf meine Frage nach genauer Auskunft erzählte er mir, daß die Soldaten
drüben bei Muakinjanja fünf Leute, darunter noch ein Mädchen, getötet
hätten. Die Soldaten hätten in aller Früh das Dorf umstellt und dann
auf die Fliehenden geschossen. Meiner Gewohnheit gemäßerwiderte ich,
daß die Bestraften wahrscheinlich etwas auf dem Kerbholz hätten;
vielleicht hätte Muakinjanja der Aufforderung, der Steuer wegen zur
Militärstation zu kommen, nicht Folge geleistet.
Von Mwangosi ging ich über den Lufidjo zu Mwakaboleles Dorf. Im Dorfe
selbst war von seinen Leuten niemand getötet worden. Einer seiner Leute,
der sich außerhalb des Dorfes auf seinem Acker befand, wurde, da er
wahrscheinlich aus Furcht vor den soldaten zu fliehen versuchte, von
diesen niedergeschossen. Auch hier bei Mwakabolele hörte ich dieselbe
Klage: `Du zürnst und tötest uns?` Von meiner Seite kam die selbe
Entgegnung, daß sie wohl selbst schuld hätten, da sie meinen vielfachen
Aufforderungen, sich mit der Regierung gut zu stellen, nicht Folge
leisteten.
Bei Mwakiuyanya traf ich mehrere hundert Leute zur Totenklage
versammelt: die Erschossenen waren soeben begraben. Man empfing mich mit
einem Geheul und lärmte und sagte mir, was ich schon längst wußte: `Du
tötest uns, weil Du uns töten willst. Was haben wir begangen, daß man
uns in unserem Dorfe überfällt, niederschießt und das Vieh raubt?`
Meine für die Regierung gehaltene Verteidigung fand keinen Anklang. Man
schrie und lärmte durcheinander: Ein wirklich bösartiges Volk hätte
mich vom Esel geholt und meinem Leben durch einen Speerstich ein Ende
gemacht, doch zu solch einer Tat hat dies Volk eine zu edle Gesinnung.
Endlich gelang es mir, das Getöse zu beschwichtigen. Muakinyanya hat
keine Ahnung, weshalb er überfallen sei. Er sei früher gelegentlich
einer Streitsache auf der Militärstation gewesen - er bewies seine
Behauptung durch einen von der Militärstation ausgestellten Schein und
habe die Aufforderung erhalten, Kartoffeln zu bauen und seine
Hüttensteuer in Kartoffeln zu entrichten.
Er habe dieser Aufforderung Folge geleistet, jedoch noch keinen Befehl
zum Abliefern der Kartoffeln erhalten. Jetzt nun sei er so plötzlich und
schändlich überfallen. Mein Herz empörte sich über diese Erzählung,
und diese Empörung steigerte sich noch durch den Bericht der von den
Soldaten ausgeübten Schandtaten. Ein fliehendes etwa 15jähriges Mädchen
wurde durch den Rücken erschossen - ich habe die Leiche am vierten Tag
nach dem Begräbnis mit Zustimmung des Vaters ausgraben lassen und mich
selbst von der Wahrheit der Erzählung überzeugt. Drei Männer wurden
dicht bei ihren Hütten, als sie beim Vernehmen der Schüsse aus ihren
Hütten traten und fliehen wollten, niedergestreckt.
Eine Hütte, einen langen niedrigen Bambusstall, in dem die Soldaten
einen armen Menschen hin und her gehetzt, nahm ich näher in Augenschein.
Als die Soldten an diese Hütte heranrückten, waren die Kühe bereits vor
der Tür bis auf eine rote Kuh, doch der Eigentümer war noch in der
Hütte. Sofort schoß man in die Hütte hinein und streckte die schöne
Kuh nieder, die ich noch in der Hütte vorfand; die Kugel war durch den
Rücken gegangen. Nach dieser Tat stießen die Leute mit starken
Bambusstangen (Stützen der Bananenstauben), die sie bei der Hütte
vorfanden, durch die dünnen Wände der Hütte, um den sich Versteckenden
aufzuscheuchen. Obwohl einige Soldaten die Hütte umstellten, gelang es
dem Gejagten doch, in einem günstigen Augenblick zu entkommen. Die ihm
nachgesandten Kugeln trafen nicht, da sich der Gejagte auf die Erde warf
und dann wieder aufsprang, die Soldaten also auf diese Weise ein
schlechtes Ziel hatten. Ein anderer Mann, vor dessen Hütte die Soldaten
auch waren, erzählte mir: `Als die Soldaten erschienen, dagte ich gleich:
Da sinc meine Kühe, nehmt sie. Darauf gingen sie in die Hütte und nahmen
den Kupferschmuck meiner Frau. Da ich Angst hatte, suchte ich das Weite,
die mir nachgesandte Kugeln trafen nicht.`
Ein kleines, etwa 6jähriges Mädchen, welches bei dem vorhin genannten
Mädchen sich aufhielt, bekam einen Schuß durch die rechte Hand. Die
Kugel nahm ihren Weg vom Handgelenk über den Handteller und fuhr dicht
unter dem Mittelfinger heraus. Die Verwundung ist noch verhältnismäßig
günstig, da die Kugel keinen Finger mit fortgerissen hat, doch
entschuldigt diese günstigere Verwundung keineswegs das scheußliche
Verhalten der schwarzen Soldaten. Natürlich habe ich das Kind zur Station
bringen lassen und behandelte dei Wunde. Fragt man sich: `Was haben die
armen gejagten und getöteten Menschen verbrochen?` Ich sage `Nichts`.
Selbst im Falle der Steuerverweigerung hätte nicht so scheußlich und
unmenschlich vorgegangen werden dürfen - bei der Steuereintreibung
brauchen in unserem Lande keine Leute zu fallen - nun liegt hier aber
nicht mal eine Steuerverweigerung vor.
Einiges Licht in diese traurige Geschichte könnte die Äußerung des
Regierungsbeamten selbst hineinbringen, der hier, von diesem Zuge kommend,
etwa rastete und sich dahin aussprach, daß er den Häuptling Mwuanbagi,
der nicht zur Regierungsstation komme, bestraft habe. Diese zu meiner Frau
gemachte Äußerung deckt sich nun leider nicht mit der von seiner Seite
dem Sup. Bruder Nauhaus gegebenen Erklärung, er habe Mwuangosi und seine
Familie bestrafen wollen. Mwuangosi ist, wie allgemein bekannt, gut Freund
mit der Regierung und hat mit der Häuptlingslinie des Mwakinyanya gar
nichts zu tun, man müßte dann gerade auf den Ur-Ur-Großvater
zurückgehen, nach diesem Maßstab sind dann schließlich alle Häuptlinge
verwandt.
Die Regierung hat hier in Mwambaland nicht ihre Pflicht getan und dies
Volk nicht so behandelt, daß es Vertrauen zu derselben haben kann. Diese
Behauptung ist keine bloße Behauptung, wenn ich z.B. nur an die Art und
Weise des Zählens der steuerpflichtigen Hütten denke. Es wurde ein des
Zählens kundiger Schwarzer von der Küste geschickt, dessen Fähigkeiten,
richtig zu zählen, ich nicht anzweifeln will, der aber doch nicht seine
Aufgabe in einer befriedigenden Weise gelöst hat. Er hat nicht mal die
Gebiete der Häuptlinge, und zwar ziemlich große Häuptlinge, fixiert.
Daß dies Tatsache ist, beweist meine mit dem Regierungsbeamten im
September vorigen Jahres bei Mwangosi stattgefundene Unterredung. Als ich
nach, jenseits des Lufidjo zeigend, ihn fragte: `Haben Sie jene
Häuptlinge dort auch auf Ihrer Liste?` mußte er gestehen, daß er weder
Mwabukusi noch Mwalusopo, noch Mwakambinda noch Mwakiuyanya hatte, und
doch liegen die Dörfer dieser genannten Häuptlinge klar und offen dar.
Gezählt waren die Hütten noch, aber sie waren anderen Häuptlingen
zugerechnet, wenn ich nicht irre, dem Häuptling Mwangosi und Mwambagi.
Daß auf solche Weise eine Regierung (ich rede natürlich nur vom
Bezirksamt Langenburg und speziell von der die Verwaltung der Mwambalande
in Händen habenden Station Kasyabone) weise und gerechte Maßregeln
ergreift, welche das Volk wirklich heben. Das Plünderungssystem, die
Wegnahme des Viehs muß sein Ende erreciht ahben. Wir haoofen und flehen
zum HERREN, daß es bald besser werden möge.
Für Anlage von Wegen und Brücken z.B. könnte noch sehr viel
geschehen. Die zu diesen Arbeiten herangezogenen Schwarzen, die jetzt
meist auf der Flucht sind vor der Schutztruppe, da sie für ihr Vieh
fürchten, könnten auf diese Weise, ganz abgesehen von dem sittlichen
Wert der Arbeit, ihre Steuern zum größten Teile abarbeiten.
Daß namentlich im Süden und Westen des Kondelandes schon manches für
Wege geschehen ist, will ich gerne anerkennen. Hier im Mwambalande ist
noch gar nichts für Brücken und Wege geschehen. Auch zum Anbau von
Weizen und selbst Kaffee könnten die Häuptlinge mit ihren Leuten
angehalten werden. Es würde gar nicht schwer halten, sie zu diesen
Arbeiten zu bewegen und die Regierung selbst würde den größten Nutzen
von solchen Anordnungen haben.
Ich habe mich ziemlich lange verbreitet, doch die Wichtigkeit des
Gegenstandes erforderte Ausführlichkeit. Von dem vorläufigen Verlauf der
Mwakunyanya´schen Angelegenheit wird wahrscheinlich noch Bruder Nauhaus
berichten. M. wurde durch Bruder Nauhaus´ Leute nach der Militärstation
geleitet. Mwakinyanya und auch die Abgesandten von Bruder Nauhaus wurden
nicht grade freundlich empfangen. Das dem M. genommene Vieh, das ihm
eigentlich bedingungslos hätte herausgegeben werden können, soll er für
Kartoffeln einlösen und zwar 15 Sack Kartoffeln für eine Kuh. Ich glaube
nicht, da? M. sich hierzu verstehen wird, da er unter dem Eindruck steht,
daß ihm großes Unrecht geschehen ist."
NACH
OBEN
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