Deutsch - Ostafrika ( D. ), die größte deutsche Kolonie, liegt
zwischen dem 1. und 11. südlichen Br. und zwischen dem 30. und 40. Grad östl.
L. von Greenwich, umfasst einen Flächenraum von 940 580 qkm und grenzt im Osten
an den Indischen Ocean, im NO. und N. an Englisch - Ostafrika, im W. an den
Kongostaat, im SW. an das brit. Centralafrika - Protektorat und im S. an die
portug. Kolonie Mozambique. Zu D. gehört auch die Insel Mafia. D. zerfällt in
zahlreiche Landschaften, deren Grenzen mehr ethnographisch als geographisch
erkennbar sind. An der Küste und in deren Nähe liegen (von N. nach S.
gezählt) folgende Landschaften: Das Dschaggaland am Kilima-Ndscharo mit Kahe
und Aruscha; nördlich vom Pangani Pare, Usambara und Bondei; zwischen Pangani
und Wami Usegua und Nguru (Ungu); zwischen Wami und Rusiji (Rusidschi) Ukwere,
Ukami, Usaramo, Khutu und westlich davon usagara, an das sich südwestlich
Mahenge, Uhehe und Ubena schließen; zwischen Rufiji und Rovuma das Hinterland
von Kilwa, Lindi und Mikindani, welches von den Wangindo, Jao und Magwangwara
und Mafiti in zerstreuten und ineinander gemischten Bezirken bewohnt wird. Im
tiefern Binnenlandbefinden sich an der großen Karawanenstraße, welche von
Ufagara nach dem Seengebiet führt, folgende Länder: Ugogo mit Urori im S.,
Ujansi, Unjamwesi mit Usukuma im N., Ukonongo im S. und Ugalla im W. Um die Ufer
des Victoria - Njansa lagern im Halbkreis Karagwe mit Usiba (Uhaja und Jhangiro),
Usambiro, Usmawo und Ututwa; hieran schließt sich in der Richtung nach dem
rilima-Ndscharo das land der Massai an. An die Ostseite des Tanganikasees
grenzen die Landschaften Urundi, Uhha, Ujiji, Uvinsa, Kawende und Fipa. Am
Nordende des Njassasees liegt Konde, nördlich davon Ubena, Urori und Usasa.
Oberflächengestaltung:
Der plastische Aufbau D.s wird durch eine geschlossene Kette von Gebirgszügen
charakterisiert, welche einen Teil des großen ostafrik. Randgebirges bilden und
das Land meridional in zwei ungleiche Teile spalten: in das niedrige schmale, im
S. sich verbreiternde Küstengebiet und in das hochgelegene, weit ausgedehnte
Binnenland, das im N. und W. an drei mächtige Seeflächen grenzt. Die höchste
Erhebung des Randgebirgszugs stellt das Gebirgsmassiv des Kilima-Ndscharo mit
6130 m dar; von ihm aus verlaufen nach S. und SO. die Berge von Pare (2070 m),
Usambara (2000 m), Nguru (1170 m) und die Rubehoberge (2100 m) in Usagara, die
Uruguruberge (2000 m) in Ukami und das Rusutugebirge (800 m) in Khutu; von hier
aus steigen dei Uheheberge bis zu den 3000 m sich erhebenden Livingstone- und
dem nochhöheren (3600 m hohen) Beja - Gebirge am Nordende des Njassasees an.
Das Binnenland ist eine 1200 - 1400 m ü.d.M. gelegene, teils sanft gewellte,
teils von niedrigen Hügelgruppen durchsetzte Hochfläche, welche sich im W. und
NW. allmählich bis zu den 1600 - 1750 m hohen Gebirgen am Tanganika und in
Karagwe erhebt. -
Der allgemeine geologische Charakter von D. spricht sich in dem Vorherrschen des
Laterit aus. Die Küste umsäumt ein schmaler Streifen von Korallenkalk, an den
sich in breiterer Ausdehnung vornehmlich Jurakalk, aber auch stellenweise
Thonschiefer anschließt. Im Binnenlande bildet vielfach eine Schicht Lehm oder
Sandstein die Unterlage des Laterits. Das Gebirge besteht (nach den bisherigen
Forschungen) fast ausnahmslos aus Granit, Gneis und krystallischen Schiefer; nur
inden Bergen am Tanganikasee und in Karagwe kommen mächtige Lager von rotem
Sandstein und Thonschiefer vor; die Südseite des Kilim-Ndscharogebirges
zeichnet sich durch massenhaftes Auftreten von vulkanischen Gesteinsarten aus.
-
Das Küstengebiet ist wasserreich; nur in den heißesten Monaten trocknen die
kleinen Bäche aus. Fünf Hauptströme mit vielen Nebenflüssen entspringen dem
Randgebirge und flie?endem Meere zu: der Pangani oder Ruvu, der Wami oder
Mukondokwa, der Kingani oder Rufu, der Rufiji und der Rovuma. Für die Schiffart
ist keiner von diesen Flüssen auf größern Strecken wegen der Stromschnellen
geeignet; nur der Rufiji ist zeitweise mit Dampfspinassen bis Korogero
befahrbar. Das Binnenland wird nur von wenigen Flüssen durchzogen; in der
heißen Zeit versiegen sie teilweise oder ganz; zu ihnen gehören der Gombe, der
Ugalla und der Wembäre in Unjamwesi; der Malagarasi, der mächtigste unter
ihnen, welcher in den Tanganika mündet, und der Kagera, der geographisch
wichtigste, da in ihm die südlichste Quelle des Nils erkannt worden ist. -
Außer den schon mehrfach genannten großen Seen, dem Victoria-Njansa, Tanganika
und Njassa sind noch zu erwähnen: der Dschipe- und Natronsee (südöstlich und
nordwestlich vom Kilima-Ndscharo) der Manjarasee und der Salzsee Eiassi im
Massailand, der Urigisee in Kargwe und der Rikwa oder Leopoldsee zwischen dem
Tanganika und Njassa.
Klima:
Das Klima von D. ist tropisch. Im Küstengebiet giebt es zwei Regenzeiten: die
erste von Mitte März bis Ende Mai, die zweite von Mitte Oktober bis Mitte
Dezember; im Binnenland nur eine, von November bis Ende April. Während in der
Nähe des Meers und noch mehr im Gebirge die Trockenzeit durch gelegentliche
Regenschauer gemildert wird, hat sie auf den Hochflächen des Innern eine Dauer
von 6 Monaten. Die Temperaturen sind ungefähr ähnlich jenen von Sansibar,
welche im Jahresmittel 25,5 Grad C. betragen; im Binnenland steigern sich die
Unterschiede zwischen Hitze und Abkühlung (45 und 8 Grad C.). Die Regenzeit ist
die heiße Jahreszeit, der Februar der heißeste Monat, während der Juli der
kühlste ist. Im Küstengebiet wirkt nicht sowohl die Hitze, sondern der hohe
Feuchtigkeitsgehalt der Luft (bis über 80 Proz.) erschlaffend auf die Nerven.
Die Landstriche um den Victoria-Njansa haben ein vom übrigen D. etwas
verschiedenes Klima; hier regnet es in allen Monaten, am stärksten im März,
April und Mai und dann wieder im September, Oktober und November; das Maximum
der Temperatur beträgt 31 Grad C. das Minimum 10 Grad C., das Monatsmittel 18,5
bis 55,5 Grad C. Die Gesundheitsverhältnisse sind im allgemeinen für den
Europäer sehr ungünstig; die Malaria herrscht an der Küste wie im Binnenland,
am wenigsten auf den Höhen vom Usambara und im Dschaggaland. Doch ist in
einzelnen Orten der Küste, wie in Kilwa und Lindi, infolge der zweckmäßigern
Anlage der Wohnräume eine Besserung bemerkenswert.
Pflanzen- und
Tierwelt:
D. ist vornehmlich Savannenland, entweder kultivierbares, oder mit lichtem
Gehölz bestandenes (Pori), oder mit dornigen Dschungeln bedecktes. Größere
Moräste und vollkommen sterile, steinige Flächen treten nur vereinzelt auf. In
den Gebirgen wechseln geschlossene Waldungen mit Bananenhainen und üppigen
Wiesengründen. Kulturstrecken in weiter Ausdehnung begegnet man nirgends; wo
aber der Neger sich angebaut, sei es inmitten der Wälder oder an
Gebirgsabhängen, im gutbewässerten Savannenland oder in der Nähe des Meers,
da gedeihen Kokos- und Dalebpalmen, Orangen-, Melonen- und Mangobäume, Bananen,
Kaffernkorn, Maniok, Sesam, Erdnüsse, Reis, Zuckerrohr, zuweilen auch Baumwolle
und Tabak. Zur Plantagenwirtschaft eignen sich einzelne Strecken der Küste,
namentlich das terrassenförmige Gelände von Bondei, dei Thäler von Usambara,
Ukami und Usagara. -
Der Reichtum an jagdbaren Tieren, wie Löwen, Leoparden, Hyänen, Giraffen,
Büffeln, Antilopen, Zebras, Nashörnern, Flußpferden und Krokodielen ist in
den Ebenen um den Kiliman-Ndscharo, in den Thälern von Usagara und in Unjamwesi
am bedeutendsten; er vermindert sich wesentlich südlich vom Kingani. Die
Elefantenherden haben sich mehr und mehr nach der Westseite des
Albert-Edwardsees und des Tanganika zurückgezogen. Die Tsetsefliege kommt meist
im Buschdickicht des Küstenlandes vor. An Haustieren werden gehalten: Hühner,
Ziegen, Schafe, Hunde. Große Rinderherden giebt es in Usambara, usagara,
Karagwe und
Usakuma.
Bevölkerung:
D. hat etwa 2 900 000 Einwohner, darunter 568 Deutsche und 182 andre Europäer.
An der Küste leben Araber und Inder als Kaufleute, Karawanenführer und
Plantagenbesitzer, ferner Suaheli, häufig als Ortsvorsteher oder Jumbe
verwendet, und Wamrima, die eigentliche Arbeitermasse. Das übrige Festland bis
tief in das Innere hinein bewohnen Neger der Banturasse, meist Ackerbauer; in
den Ländern westlich und südwestlich vom Victoriasee herrschen oder leben als
Hirtenvolk die wahrscheinlich aus Abessinien eingewanderten Wahuma. Der
ethnologisch am meisten erforschte Stamm ist der der Wanjamwesi. Als raub- und
kriegslustige Nomaden treten auf die den Niloten verwandten Massai zwischen dem
Kilima-Ndscharo und dem Victoria-Njansa; die Wahehe oder Masiti am Ruaha, die
Wangnoi in Unjamwasi, die Jao am Rowuma und die Magwangwara am Njassasee, welche
vier letztern als die Abkömmlinge eingewanderter Zulu gelten. Negerkönigreiche
von größerem Umfange giebt es in D. nicht; von politisch nennenswerter
Bedeutung sind gegenwärtig nur anzuführen: Sembodja in Usamara, Kingo Mkubwa
von Kargwe. Alles übrige Gebiet zerfällt in größere oder kleinere
voneinander unabhängige Gemeindeverbände. An der Küste gebietet die deutsche
Verwaltung; auch hat sie im Innern, mit Ausnahme des Gebietes der Wahehe, die
Aufrechterhaltung friedlicher Zustände und die Anerkennung der deutschen Flagge
im allgemeinen erreicht. - Die Hauptorte D.s liegen an der Küste: Dar es-Salaam
(10 000 E.), der Sitz des Gouverneurs; Tanga (4 000 E.) mit vortrefflichem
Hafen; Pangani (10 000 E.), Saadani, Bagamojo (10 000 E.), der größte
Handelsplatz; Kilwa-Kiwindje, Lindi (3 000 E.) und Mikindani (500 E.);
sämtliche (mit Ausnahme von Saadani und Mikindani) haben Garnisonen der
Schutztruppe oder der Polizeitruppe. Auf den Karawanenstraßen nach dem Innern
befinden sich Militärstationen; von Tanga nach dem Kilima-Ndscharo: Mafinde,
Kifuani, Marangu, Moschi; von Bagamojo und Dar es-Saalam nach dem
Victoria-Njansa: Kisaki in Khutu, Kilosa und Mpwanpwa in Usagara, Tabora
(wichtigster Handelsplatz im Innern) in Unjamwesi, Neuwied, Muansa und Bukoba am
Ufer des Victoria-Njansa; endlich Langenburg am Njassasee. Missionsstationen
existieren im ganzen 39, und zwar 5 deutsche und 17 englische
evangelischer und 2 deutsch und 15 französische kath. Konfession.
Verwaltung:
Die Zivil- und Militärverwaltung liegt in den Händen des vom Deutschen Kaiser
ernannten Gouverneurs. Das Küstengebiet ist in 6 Bezirksämtereingeteilt, an
deren Spitze Bezirksamtmänner, als Vertreter der Zivilverwaltung, sich
befinden; ihnen ist eine Polizeitruppe von 240 Mann unterstellt. Zur Ausübung
der Gerichtsbarkeit über Nichteingeborene bestehen 2 Amtsbezirke, ein
nördlicher mit dem Amtssitz Bagamojo und ein südlicher mit dem Amtsbezirk Dar
es-Saalam. Für die zweite Instanz ist ein Oberrichter bestellt. Zur Sicherung
des Kolonialbesitzes und zu kriegerischen Expedition dient die kaiserl.
Schutztruppe, 37 Offiziere, 13 Ärzte, 50 Unteroffiziere und 1800 Farbige
(Sudanesen und Manjema) in 12 Companien; an ihrer Spitze steht ein Oberführer.
-
Ein kaiserl. Postamt besteht in Dar es-Saalam, dem die Postagenturen unterstellt
sind. Eine regelmäßige Post geht am 6. jeden Monats von Dar es-Saalam über
Mpwapwa und Tabora nach Bukoba am Victoria-Njansa und am 1. jeden Monats
zurück; sie braucht zur Zurücklegung der Strecke 50 Tage. -
Die Sklaverei wird als beschränkte Haussklaverei geduldet, der Freikauf auf
jede Weise begünstigt, Sklavenhandel und Sklavenraub im Küstengebiet energisch
unterdrückt, im Innern möglichst behindert. -
Das Budget, welches vom 1. April 1894 dem Reichstage jährlich zur
Beschlußnahme vorgelegt werden muß, beträgt pro 1894/95 5,65 Mill. Mark. Die
Einnahmen werden gedeckt durch einen Reichszuschuß von 3,5 Mill. Mark und den
voraussichtlichen Ertrag von Zöllen und Steuern von 2,156 Mill. Mark. Von den
Ausgaben entfallen auf die Civilverwaltung 1 640 790 Mark, auf die Schutztruppe
2 286 000 Mark und als regelmäßige Entschädigungssumme an die
Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft für Abtretung der Zolleinkünfte an das
Reich 600 000 Mark. Von den Eingeborenen werden keine direkten Steuern erhoben;
dagegen ist der Handelsverkehr, und namentlich das Schankgewerbe, mit hohen
Abgaben belastet. Die 7. Aug.1891 in Berlin gegründete und 22.Nov. desselben
Jahres von der Regierung sanktionierte Einsenbahngesellschaft für D.
(Usambaralinie) mit einem Kapital 2 Mill. Mark hat die vorarbeiten zu der 90 km.
langen Linie von Tanga nach Korogwe 1893 soweit vollendet, dass die Strecke
Tanga - Muhesa traciert wurde und mit dem Oberbau begonnen werden konnte. Handel:
Durch die Deutsch - Ostafrika - Linie wurden 1891 eingeführte Waren im Werte
von 2 236 000 Mark und ausgeführt von 520 000 Mark. Der Warenumsatz im ganzen,
namentlich von und nach Indien, ist aber viel bedeutender; es betrug 1890/91 die
Einfuhr 9 Mill. Mark, die Ausfuhr 7,5 Mill. Mark. Importiert werden
hauptsächlich: Baumwoll- und Metallwaren, Glasperlen, Gewehre, Pulver;
exportiert: Elfenfein, Kautschuk, Sesam und Reis. Geschichte:
Der Sultan von Sansibar war bis 1884 der unbeschränkte Gebieter an der ganzen
Küste, und sein politischer Einfluss machte sich zeitweise weit in das Innere
bis nach Tabora und Ujiji geltend. Die eingeborenen Stämme bekriegten sich
vielfach untereinander oder bekämpften die sich eindrängenden Araber, die
Elfenbein und Sklaven teils durch Austausch von Waren, teils durch Raub zu
erwerben trachteten, dabei aber doch der Kultur in beschränktem Grade Eingang
verschafften. -
Die Deutsch - Ostafrikanische Gesellschaft erweiterte ihre Gründung 1885 und
1886 durch Errichtung von Stationen derart, dass sie die Küstenländer von
Somalland bis zur Mündung des Rovuma umfasste, mit Ausnahme der Umgegend von
Mambas zwischen dem Sabaki- und Umbafluß, wo die Engländer schon früher
festen fuß gefasst hatten. Ein schmaler Küstenstreifen und das Binnenland jenseits
des Randgebirges blieb vorläufig noch von der deutschen Besitznahme unberührt.
Der Sultan von Sansibar wurde durch das Erscheinen eines deutschen Geschwaders
Aug 1885 gezwungen, die deutsche Schutzherrschaft über die bereits erworbenen
Gebiete anzuerkennen. Am 1. Nov. 1886 schlossen Deutschland und England ein
Abkommen, wonach die Herrschaft des Sultans von Sansibar auf die Hafenplätze
des Somallandes, den Küstenstrich von Witu bis zur Mündung des Rovuma in einer
Breite von 16 km. beschränkt wurde und ferner die Grenze zwischen der deutschen
und engl. Interessensphäre durch eine Linie von der Mündung des Umba bei Wanga
nach dem 1. grad südl. Breite am Victoria-Njassa bestimmt werden sollte. Damit
verzichtete Deutschland auf Solalland, behielt aber das Binnenland Witu; die
Abgrenzung in der Richtung nach dem Tanganika und Njassa kam nicht zur Sprache.
Auch mit Portugal traf Deutschland 1887 ein Übereinkunft über die Abgrenzung
seines Besitzes im S., wonach der Rovuma von seiner Mündung bis zur Einmündung
des Msindscheflusses und dann der Breitenparallel westlich bis zum Ufer des
Njassasees die Grenze bildeten. Um die Kolonie lebensfähig zu machen, musste
sie in den Besitz der Hafenplätze gelangen. Nach langwierigen Verhandlungen, in
denen namentlich Dr. Peters außerordentliche Energie entwickelte, kam endlich
28. April 1888 ein Vertrag zwischen der Deutsch - Ostafrikanischen Gesellschaft
zur freien Verfügung überlassen. Am 15. Aug. 1888 sollte der Vertrag in Kraft
treten. An diese Tage brach ein Aufstand der Araber und der von ihnen
abhängigen Eingeborenen aus; der Sultan von Sansibar konnte oder wollte der
Deutsch - Ostafrikanischen Gesellschaft keine Schutz gewähren, und der Grossteil
seiner Truppen schloss sich den Rebellen an. Die deutschen Beamten, nur auf die
Unterstützung durch eine ungenügende Anzahl von Kriegsschiffen angewiesen,
waren gezwungen, während des September Tange, Tangani, Kilwa, Lindi und
Kikindani nach kurzer, aber heldenmutiger Gegenwehr zu räumen; nur Bagamojo und
Dar es-Salaam blieben in deutschem Besitz, und dei erfolgreiche Berteidigung
dieser zwei wichtigsten Orte durch die deutsch Marine ist der Energie und
Umsicht der Premierlieutenants von Gravenreuth und Leue zu verdanken. Eine
deutsch-engl. Blockade längs der Sansibarküste trat 2. Dez. in Wirksamkeit. Da
die Deutsch - ostafrikanische Gesellschaft keine genügenden Mittel besaß, den
immer mehr umsich greifenden Aufstand zu bewältigen, wandte sie sich Jan. 1889
an das Deutsche Reich, worauf der Deutsche Reichstag 2. Febr.. beschloss, die
deutschen Interessen in Ostafrika zu schützen. Hauptmann Wißmann, der mit der
Ausführung betraut wurde, organisierte ein Expeditionskorps aus 14 deutschen
Offizieren, 100 Unteroffizieren und 800 angeworbenen Sudanesen, Somal und Zulu
u.s.w. und begann den Feldzug mit Besetzung und Befestigung von Bagamojo und Dar
es-Salaam. Am 8. Mai schlug er Buschiri, den führer des Aufstandes, zum
erstenmal in der Nähe von Bagamojo, 6. Juni eroberte er Saadani und 8. Juli
Pangani und besetzte Mitte September nach einem siegreichen Gefecht die im Juli
von Buschiri überfallene Station Mpwapwa. Premierlieutenant von Gravenreuth
warf in zwei glänzenden Gefechten 19. und 20. Okt. die von Buschiri
herbeigeführten Masitimassen zurück. Noch einmal tauchte Buschiri im Dezember
in der Nähe von Pangani auf, wurde aber sofort von Lieutenant Dr. Schmidt
geschlagen und gefangen genommen und erlitt 14. Dez. 1889 in Pangani den Tod
durch Kenkerhand. Mit der Besiegung Banaheris, des letzten Rebellenführers, 5.
Jan. und 9. März, und nach der Wiedereinnahme von Kilwa, Lindi und Mikindani
Mai 1890 war der Araberaufstand niedergeworfen; um jedoch den Küstenstreifen
vollständig in deutschen Besitz übergehen zu lassen, bedurfte man der
diplomatischen Aktion Englands, das bisher die ausschlaggebende Macht in Ostafrika
gewesen war. Eine Auseinandersetzung mit England war um so dringender geboten,
als der deutsche Kolonialbesitz ohne bestimmte Abgrenzung im N. und SW. in die
engl. Interessensphäre hineinragte. So kam es zu dem Vertrag von 1. Juli 1890
zwischen der engl. und deutschen Regierung. Deutschland verzichtete zu Gunsten
von England auf die Erhaltung der Selbständigkeit des Sultans von Sansibar und
damit auf die kommerziellen Vorteile, die ihm das seinem steigenden Einflusse
unterworfene Sansibar als Handelscentrum sicher verschafft haben würde, und
vertauschte Witu gegen den Besitz von Helgoland. England erkannte dagegen die
deutsche Oberhoheit über den ganzen Küstenstrich und das Binnenland bis zum
Victoria-Njansa, Tanganika und Njassa an. Der Sultan von Sansibar wurde für die
Abtretung seiner Hoheitsrechte über den Küstenstrich mit 4 Mill. Mark
abgefunden. Das Deutsche Reich übernahm 1. Jan. 1891 laut einem Abkommen vom
20. Nov. 1890 mit der Deutsch - Ostafrikanischen Gesellschaft die Verwaltung der
Kolonie. Am 14. Febr. wurde der bisherige Gouverneur von Kamerun, Freiherr von
Soden, zum Gouverneur des deutsch - ostafrikanischen Schutzgebietes ernannt und
bald darauf ihm Wißmann, Dr. Peters und Emin Pascha als Reichskommissare
beigegeben. Durch kaiserliche Verordnung vom 9. April 1891 wurde die bisherige
<<Wißmanntruppe>> in eine kaiserliche Schutztruppe umgewandelt und
neu organisiert. Die Zollverwaltung ging 1. Juli 1891 in die Hände der
Kolonialregierung über. -
Inzwischen war man mit der Occupation des Binnenlandes in entscheidender Weise
vorgegangen. Emin Pascha, der 25. April mit einer Expedition von Bagamojo abmarschiert
war, gründete im August in Tabora und im November in Bukoba, am Westufer des
Victoria-Njansa, Stationen; von letzter wurde im Frühjahr 1891 eine dritte
Niederlassung in Muansa am Südende des Sees errichtet. eine empfindliche
Niederlage erlitt die deutsche Schutztruppe unter Führung des Lieutenants von
Zelewski 17. Aug. 1891 in Uhehe südlich vom Ruahaflusse durch die Wahehe. Bei
einem Einfall desselben Stammes in Usagara fiel Lieutenant Brüning 6. Okt. 1892
bei Kilosa. Der widerspenstige Häuptling Meli im Dschaggaland schlug zwar 10.
Juni 1892 den Angriff der Schutztruppe zurück, wobei die Lieutenants von Bülow
und Wolfrum getötet wurden, erlagen aber dem siegreichen Vordringen des
Oberstlieutenants von Schel 12. Aug. 1893. Lieutenant Prince eroberte 12. Jan.
1893 das Kwikuru des Häuptlings Sike bei Tabora und 10. März die Tembe Mtwanas
in Mdaburu (Ugogo). Major von Wißmann, der im Aug. 1892 den Transport des
Dampfers <<H. von Wißmann>> von der Mündung des Sambesi nach dem
Njassa begonnen, wo das Schiff 12. Aug. 1893 die erste Probefahrt glücklich
bestand, und der am Nordende des Sees die Station Langenburg im März 1893
gegründet hatte, unterwarf (zwischen Njassa und Tanganika) 10. Juni 1893 Sunda,
den Häuptling der Wanika, und schlug im Juli 1893 die Wavemba. Im Frühjahr
1894 unternahm von Schele einen erfolgreichen Zug ins Gebiet der räuberischen
Masiti, deren Macht vollständig gebrochen wurde. ein während von Scheles
Abwesenheit unternommener Versuch Bana Heris, an der Küste einen Aufstand zu
erregen, wurde rasch unterdrückt.
Deutsch - Ostafrikanische
Gesellschaft:
Aus der Gesellschaft für deutsche Kolonisation hervorgegangene
Kolonialgesellschaft. jene war im März 1884 durch Graf Behr - Bandelin und Dr.
Karl Peters in Berlin mit dem Zweck gegründet worden, möglichst schnell eine
praktische Kolonisation in Angriff zu nehmen. Im Herbst 1884 sandte sie eine aus
Dr. Peters, Graf Pfeil, Referendar Jühlke und Kaufmann Otto bestehende
Expedition nach dem der Insel Sansibar gegenüber liegenden Teile des
äquatorialen Ostafrikas zur Erwerbung von Kolonialbesitz ab. In kurzer Zeit
gelang es derselben, 12 Verträge mit unabhängigen Häuptlingen abzuschließen
und dadurch, wenigstens formell, die Länder Usegua, Rguru, Usagara und Ukami zu
erwerben. Für diese Erwerbungen erhielt die genannte Gesellschaft 27. Febr.
1885 den Schutzbrief des Deutschen Kaisers. Zur Verwaltung und Ausbreitung
dieser Besitzungen bildete sich aus der Gesellschaft ein neuer Verein, die
Kommanditgesellschaft D. G. Dr. Peters, der nach Berlin zurückgekehrt war,
wurde nebst drei andern Mitgliedern der Gesellschaft für deutsche Kolonisation
als die persönlich haftenden Mitglieder dieser Kommanditgesellschaft in das
Handelsregister eingetragen.
Zur finanziellen Begründung des Unteernehmens beschloss 7. Sept. 1885 das
Direktorium, statt der bisherigen Gesellschaftsform eine korporative Form zu
wählen, in der die Gesamtgesellschaft Trägerin der Gesellschaftsrechte wurde.
Die geplante Umformung bezweckte, die Kommanditgesellschaft <<Karl Peters
und Genossen>> durch eine mit dem Rechte der jurist. Person ausgestattete
Korporation unter dem Namen D. G. zu ersetzen. Die Organe der neuen Korporation
sind: Generalversammlung auf 5 Jahre gewählten Präsidenten und zwei ihm
beigegebene Direktoren; erstere ernennt und entlässt die Beamten der
Gesellschaft und übt über sie die Aufsichtsbefugnis aus. Die Aufsicht über
die Gesellschaft wurde nach dem genannten Statut dem Reichskanzler übertragen.
Nachdem Anfang 1887 das zur Schaffung dieser Korporation notwendige Kapital im
Betrage von mehr als 3,5 Mill. Mark aufgebracht war, erfolgte die Konstituierung
der neuen Gesellschaft; Karl Peters wurde zum Präsidenten ernannt.
Ihre Thätigkeit erstreckte sich in Afrika nicht nur auf Erweiterung des
Kolonialbesitzes, Anlegen von Stationen und Plantagen und Belebung des
Handelsverkehrs, sondern namentlich auch auf den Erwerb von Hafenplätzen, in
denen der Sultan von Sansibar Gebieter war. Als sie letzteres durch Abschluss
von Verträgen endlich erreichte und in den Küstenorten die deutsche Flagge
heißte, brach ein Aufstand der Araber aus (15. Aug 1888), den sie nicht zu
bewältigen vermochte. Das Reich, zu Hilfe gerufen, übernahm nach Besiegung der
Rebellion die ganze Verwaltung (20. Nov. 1890). Die Gesellschaft erhielt dadurch
den ausschließlichen Charakter einer privilegierten Erwerbsgenossenschaft. Sie
nahm eine Anleihe von 10 566 000 Mark unter Garantie der Regierung auf, welche
ihrerseits zu einer jährlichen Auszahlung von 600 000 Mark für die
Überlassung der Zolleinkünfte sich verpflichtete. Die Unternehmungen der
Gesellschaft bestehen jetzt in Betrieb eigener Handelsgeschäfte, in Gründung
und Bewirtschaftung einiger Plantagen, so eine in Kikokwe (bei Pangani)
und zwei in Derema (Usabara).
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